Tadschikistan – Zahlen, die sich einbrannten
Je mehr man über dieses Land liest, desto surrealer wird es. Als eines der ärmsten Länder der Welt und das ärmste Land der UDSSR werden 50% des BIP durch im Ausland arbeitende Verwandte erbracht, 1/3 der Bevölkerung gelten lt. WHO als unterernährt und die durchschnittliche Lebenserwartung ist erst in den letzten Jahren über 60 Jahre (m), bzw. 70 Jahre (w) gestiegen. Geschichtlich ist das Land seit ca. 3.500 v. Chr. existent. Die jüngere Geschichte endet mit einem Bürgerkrieg (1992-1997), von dem noch immer Minen im Land verteilt liegen. Und die Hälfte des Landes liegt oberhalb von 3.000m üNN.
Aber wenn Tadschikistan eins hat, dann sind es Steine. Vor allem auf dem…
Pamir Highway – Die Straße auf dem Dach der Welt
Wie auch der Hindukusch („Hindu-Mörder“) oder der Himalaya, zählt der Pamir zum „Dach der Welt“.
Drei Pässe über 4.000m üNN erwarteten uns und eine vermutlich einzigartige Landschaft. So machten wir uns nach einem ersten gemeinsamen Abend des Wiedersehens in einem Hotel in Vose bei Kulob mit dem dritten gewechselten Reifen (siehe Blogpost zuvor) auf ins Abenteuer. Ein kurzer Blick auf die Karte genügte und …ja…wir hatten uns verfahren und quälten den kleinen Polo durch alte Flussbetten und etwas, was man in Deutschland nicht einmal als Wanderweg nutzen würde. So mutierte der Wüsten-Fox dann auch spontan zur Bergkatze, was sich relativ schnell als falscher Patronus herausstellte. Wir waren zu schwer und hatten einfach zu wenig Leistung. Es blieb uns nichts anderes übrig, als auszusteigen und den Polo auf sandiger Strecke bei knapp 3.000m den Hang hochzuschieben, während einer aus dem Team die Kupplung quälte. Die Holprige fahrt und der viele Staub schafften auch sofort neue Herausforderungen; zuerst blockierte, die Handbremse, was Mesi mit anschreien, gefolgt von rütteln am Bodenzug in ca. 3 Sekunden behob. Der herabhängende Auspuff hingegen war etwas aufwendiger, konnte dann jedoch ebenfalls mit Lautstärke und Eisendraht gerichtet werden.
So ging es dann munter von Serpentine zu Serpentine, von Flussbett zu Flussbett und von Schafherde zu Ziegenherde.
Kalaikhum – Nach Afghanistan über die Fußgängerhängebrücke
Spät und in Dunkelheit erreichten wir dann unser nächstes Ziel Kalaikhum neben der bekannten Ruzvat-Brücke und konnten in einem kleinen Guesthouse, welches über einen Fluss gebaut wurde, beim Geräusch rauschenden Wassers ein paar Stunden schlafen. Unser eigentlich herausgesuchtes Hotel verlangte 200$ für die Nacht, was vermutlich dem Ort zu einem neuen Fußballstadion verholfen hätte… Das zuvor eingenommene Abendessen verdient den zweiten Teil des Substantives nicht und wurde mit dem Besuch einer ziemlich beeindruckend großen Schabe quittiert. Dafür war das Frühstück wenigstens ebenso schlecht. Tadschikistan ist kein Land für Gourmets – beim Blick auf einleitende Worte ist dies jedoch mehr als verständlich und verkraftbar.
Die anschließende Tagesetappe verlief reibungslos; Fahren, Aussteigen, Schieben, Einsteigen, Aussteigen, Schieben, Einsteigen, Aussteigen, Schieben, … und zwischendurch prüfen, ob alles dran und fest ist und alle Reifen Luft haben.
Khorog – Links oder rechts herum?
So erreichten wir fast pünktlich und auch fast im Hellen unser Tagesziel Khorog. Auch hier war der Platzhirsch unter den lokalen Hotels wieder lächerlich teuer und wir fuhren los, Klinkenputzen. Das erste Hotel/Guesthouse war nicht zu finden, das zweite nicht zu erreichen und das dritte klang komisch. Also hielten wir uns an die Beschilderungen des Ortes und landeten glücklicher Weise im „Welcome Inn„, wo uns eine sehr nette Dame uns ein beeindruckend sauberes Zimmer mit Frühstück. Das Bad befand sich außerhalb des Hauses – was sich später als Norm herausstellen sollte. In der Herberge trafen wir noch zwei Schweizer, welche zum dritten Mal im Pamir Fahrradfahren und uns einige sehr gute Tipps für Land, Leute und Route gaben. Das Bett war eine Pressspanplatte in einem Hochbettgestell auf dem eine Decke als Matratze lag. Diese doch etwas hart Konstruktion, gepaart mit knappen 3.000m üNN, ließen mich zumindest nicht mehr als zwei Stunden schlafen, sodass ich die meiste Zeit durch das Haus und den Garten tigerte und Wikipedia-Artikel las.
Die Schweizer rieten uns zu der südlichen Route, da diese zwar etwas unwegsamer, aber ungleich schöner sei…
Zelten auf dem Pamir
Auch erhielten wir von den Schweizern GPS-Koordinaten zu einem Platz, welcher von der Straße nicht einsehbar sei und man windgeschützt Zelten könne. So fuhren wir also los und konnten den beiden namenlosen Kollegen nur zustimmen; Es. Ist. Der. Wahnsinn! Links und rechts ragen kilometerhohe Berge hervor. Dahinter noch höhere und dahinter dann schneebedeckte Kuppen aus Afghanistan, Pakistan, China.
Die „Straße“ schlängelt sich zwischen Felswänden und Abhang zum Grenzfluss. Alle paar Minuten begegnet man einem anderen Auto, meist Toyota Land Cruiser oder auch mal einem Landrover Defender (meist mit echten britischen Kennzeichen). Die Lkw kommen meist Schwungweise, da sie nur zu bestimmten Zeiten bestimmte Ortschaften durchfahren dürfen. Die Brücken über die kleinen Zuflüsse sind scheinbar noch aus Sowjetzeiten und bestehen aus maroden Stahlbetonplatten. Aber wenn ein Lkw mit Anhänger darüber rollen kann, dann kann es der Polo erst recht.
Die Anstiege werden mitunter steiler und die „Straße“ noch schlechter. So holpern wir über Geröll und Sand mal auf, mal ab. Nur die Kontrollposten alle paar Kilometer brachten etwas Abwechslung.
Das letzte Stück der Route war für unseren Polo fast nicht mehr machbar und wir mussten mehr schieben als fahren… was nach dem Schieben ja nicht stoppte, da die Schieber danach den Hang hinauslaufen mussten. Schätzungsweise 1.000 km haben wir an dem Tag erlaufen. Zumeist Caius und ich, da Mesi das Spiel mit der Kupplung besser konnte und auch bei mir aussichtslos erscheinenden Hängen den Polo in den Galopp brachte. Außerdem kann ich wohl einfach gut schieben… 😉
Unser Tagesziel erreichten wir auch durch einen erneuten, vierten platten Reifen nicht. Diesmal versagte das Pneu hinten links. Als eingespieltes Team brauchten wir aufgrund der Höhe jedoch etwas länger.
Kurz vor Sonnenuntergang und kurz vor unserem eigentlichen Schlafplatz trafen wir auf eine Gruppe von acht Neuseeländer*innen und zwei Kleinwagen aus der Mongol Rally, die am Flussbett campten. Wir gesellten uns dazu, hatten ein kleines Abendmahl und konnten bereits kurz nach Sonnenuntergang einen der (oder vielleicht auch der!) beeindruckendsten Sternenhimmel jemals beobachten. Man sah die Milchstraße förmlich aufgehen und die Erdkugel wie einen Ring umspannen. Die Kamera war geladen und ein paar Tipps hatte ich mir bei den vorherigen Begegnungen mit Fotografen anderer Teams und von den Neuseeländern geholt. Es gibt wenig Fotos ohne Sternschnuppe(n) drauf – wirklich und wahrlich beeindruckend schön.
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