Pamir Highway: 1 | Pologetriebe: 0

So quälten wir uns weiter über den Highway und die Pässe, durch Check-Points, vorbei an zerfallenden Häusern oder auch gerne einmal einem aufgegebenen Motor russischer Produktion, welcher am Straßenrand hinterlassen wurde. Die Ortschaften wurden weniger. Auch die Viehherden verschwanden bald. Fließend Wasser wurde augenscheinlich weniger und die Suche nach Mineralwasserflaschen wurde schwieriger – die Menschen hier trinken Wasser eben aus dem Brunnen. Stromleitungen lagen ebenfalls brach und waren oftmals unterbrochen. Handynetze gab es keine mehr. Weder mit deutscher, noch mit tadschikischer SIM-Karte und weder aus Tadschikistan, noch aus Afghanistan… aber woher auch da, war das Gebiet „Wakhan-Valley“ auf afghanischer Seite doch erst in den 1960er-Jahren geografisch erfasst worden. Das bedeutet wohl, dass es zwischenzeitig genauere Karten vom Mond als von der Region gab.

Wir hatten gelernt, dass der Polo viel (sehr viel!) Drehzahl braucht, um Steigungen und schlechte Straßen zu meistern und so gaben wir ihm unweigerlich die Sporen. Nach einem arg entlegenen Kontrollpunkt in einer unwirklichen Mondlandschaft sollte die Straße besser werden und wir fuhren entsprechend zügig weiter.

Bei etwa 40 km/h im zweiten Gang passierte es dann aber doch. Auf einem Kiesweg hebelte uns eine Bodenwelle aus und wir hatten kurz Schwerelosigkeit – das war der Moment, als ich aus meinem Dämmerschlaf gerissen wurde – und schlugen mit allem was wir hatten plus 9,807m/s² in einen großen Stein am Boden ein.

Dieser durchschlug nicht nur den zusätzlichen Unterbodenschutz, sondern perforierte auch unser original Vier-Gang-Getriebe Baujahr 1991. Nun standen wir da. 4.200m üNN. Mitten im Nichts. Also wirklich im GAR NICHTS. Es hätte der teil-kolonialisierte Mars im Jahre 2613 sein können. Und das Getriebeöl lief über den verdichteten Schotter und bildete eine langsam versickernde Pfütze. Nach kurzem Austausch bildmalerischer Kraftausdrücke wechselte Caius sein Beinkleid von der langen zur kurzen Version und Joggte in Richtung Check-Point und Militärbasis zurück, um einen Abschlepper zu organisieren. (Anm. d. Schreiberlings: Wir waren immer noch auf 4.200m!) Mesi und ich wechselten indes erst das Beinkleid von kurz auf lang, nahmen und dann die Hoodies von awesomeIT, warfen kurz darauf die Daunenjacken gefolgt von den Regenjacken von Pepperl+Fuchs über und freuten und im Polositzend über o.g. Sponsoren und dass wir daran dachten warme Kleidung mitzunehmen.

 

Zumindest ein Bisschen „Glück im Unglück“…

…hatten wir, als nach ca. 35 Minuten ein kleiner Konvoy von Mongol Rally Teams auftauchte und ein immer noch schnell atmender Caius aus einem der Wagen krabbelte. Es wurde kurz gefachsimpelt, was kaputt sein könnte und wie man wohl am besten zu einer Werkstatt kommt und schlussendlich wurde ein Abschleppseil ausgepackt und Tim vom „Team“ solo_and_lost uns knappe 50 (fünfzig!) Kilometer durch massiv schlechtes Terrain bis ins nächste Dorf zog. In Alichur checkten wir ins erstbeste Guest-House ein und der Besitzer erkannte nicht nur direkt unser Dilemma, sondern hatte am Vortag direkt einem anderen Team einen Lkw organisiert, der sie nach Osh / Osch (Kirgisistan) brachte. Er telefonierte direkt los, schüttelte jedoch immer wieder den Kopf, als wir ihn beim Vor-Abendessen sahen.

In dem „Hotel“ waren neben einem vermeintlich italienischen Pärchen, was den Pamir auf dem Rad durchquerte, auch Jack, der Brite, der auf dem Motorrad die Welt umfährt und eine ältere Dame aus England, welche alleine mit einem lokalen Fahrer unterwegs war und allerhand zu erzählen wusste. Wir hatten einen (für Mesi und mich kurzen) unterhaltsamen Abend und konnten kurz vor dem Schlafengehen noch einen Transport nach Osh aushandeln! Wenngleich dieser auch fast so viel wie der Polo kostete, brachte er uns doch aus der Wüste in eine hoffentlich noch existente Zivilisation.

 

Erstens kommt es anders…

…und zweitens als man denkt.

12 Stunden Schlaf später (Guest-House, Camping und ein paar tausend Meter Höhenunterschied hatten bei mir offensichtlich Spuren hinterlassen) waren wir wach und freuten uns, dass der Lkw samt Fahrern überpünktlich vor der Unterkunft stand. Ein Mercedes Bens Vario 811D von geschätzt 1987 mit Kastenaufbau von Fruehauf.

Dieser wurde rückwärts von unten an die Straßenböschung gefahren und der Polo von der Straße aus hineingeschoben. Die Ersatzreifen hinderten zwar den ersten Anlauf aber schlussendlich war der Polo nach wenigen Minuten absolut unsicher, in einem alten, kaputten Benz verstaut. Damit der Polo auf den schlechten Straßen nicht in der Kiste hin und her hüpft wurde (gegen unseren Willen) die Luft aus den Reifen/Schläuchen gelassen. Anschließend wurde noch allerhand Gepäck der Fahrer und unsere Ersatzreifen links, rechts, vor und unter dem Kfz verstaut bis es los ging.

Nach wenigen Kilometern wurde noch einmal geprüft, ob der Polo noch gerade steht und so rumpelten wir dann nach Nord-Westen in Richtung Murghab. Dies war unser eigentliches Ziel für den Vortag und so waren wir doch etwas erstaunt, dass es sich hier um einfachste Behausungen, Jurten und Container handelte. Wir konnten kurz Wasser und Brot einkaufen und es wurde noch schnell per Trichter aus einem oberirdischen Tank getankt. Es sollte noch ein zweiter Fahrer zusteigen und so rumpelten wir durch die „Stadt“… Quasi durch Vorgärten und Wäschespinnen – gäbe es denn welche. Auf einem Hügel am Ortsrand angekommen, wurde der Vario von einer ganzen Familie umringt und es wurde mehr und mehr Zeug in den Wagen geladen. Teppiche, Taschen, Pakete aus zusammengeknoteten Decken, Säcke, … Die Wartezeit verkürzend wurden wir in das Haus des Fahrers auf einen Tee eingeladen, was direkt eskaliert und man für uns Brot aufschnitt (welches in dieser Region für die Menschen heilig ist) und zusammen mit Joghurt, Marmelade, Kartoffeln, Fleisch, etc. gereicht… Wir tranken zwei Tassen Tee und aßen kurz etwas Brot, bevor wir uns bedankend in den Benz setzten und weiterfuhren.

 

So weit, so gut…

…ach nee, doch nicht.

Wir fuhren also weiter und rumpelten so über die Straßen. Die Strecke Alichur nach Osh sind ca. 550km, für die 15 Stunden Fahrzeit (und eigentlich eine Übernachtungspause) angesetzt waren. Wir trafen ein paar Rally-Teams und passierten einige Kontrollstellen des Militärs. Auch standen wir überraschenderweise vor dem Zaun des Niemandslands nach China! Hier wurde einmal schnell der Stoßdäpfer des Varios auf offener „Straße“ ausgebaut, da er wohl nicht mehr ganz seinen Dienst erfüllte. Wir nutzten die Zwangspause zur Erkundung des verlassenen Grenzpostens eines scheinbar dort ehem. existenten Grenzübergangs zwischen Tadschikistan und China. Hier fanden wir auch ein beeindruckendes Geweih eines Marco-Polo-Schafs, was dem ganzen eine noch morbideren Anstrich gab.

Und dann sahen wir es…

Der Fahrer öffnete zur Sichtprüfung des Polos die Ladetür und der beißende Geruch von Benzin trat allen sofort entgegen. Der Ladeboden schwamm vor Benzin und sofort tropfte eine Lache auf die Schotterstraße. Wegdiskutieren konnten wir nicht, dass es der Polo war, fuhr der Vario doch seit gut 32 Jahren mit Diesel um die Welt.

Schulterzuckend, aber auch rätselnd wurde die Fahrt fortgesetzt –  was soll man auch machen?!

 

Tadschikistan/Kirgisistan – Eine der höchsten Grenzen der Welt?

Wir wollten eigentlich in Karakul am See Karakul nächtigen und mussten daher eh über die Grenze. Mittlerweile war es dunkel und so richtig kalt, dass einem die Zähne klapperten. Im Niemandsland entdecken wir ein Schild, was den Pass ,auf dem sich die Grenze befand, auf etwas über 4.200m üNN.

Das verlassen Tadschikistans war ziemliches Chaos. Weder gab es Schilder, noch konnte man Militär von Zivilisten unterscheiden, da auch gerne mal ein Grenzer im Dienst in Jogginganzug und Regenstiefeln durch die Gegend schlurfte. Dieser Spezielle fragte sogar offen, direkt und vor Zeugen nach Geld. Schließlich ließen wir ja unseren Pkw durch die Gegend fahren, statt ihn selbst zu fahren. Lachend, aber offensichtlich verneinend, stiegen wir ein und konnten dann auch einfach weiterfahren.

Ein britisches Team, welches wir trafen, hatte an der Grenze weniger Glück. Ein Kontrollpunkt zuvor hatte ihnen das Visa nicht wieder zurückgegeben und versichert, man brauche das nicht mehr. Diese Info war leider falsch und so hantierten sie mit den Digitalkopien ohne Stempel herum.

Bei der Einreise in Kirgisistan ging alles etwas Zackiger und Militärischer zu und endlich hatten die Wachposten wieder Gewehre, wenn auch keine Magazine…

Ein Blick auf die Ladefläche brachte auch Aufklärung woher das Benzin stammte. Einer der Fahrer/Helfer musste die Ersatzreifen unter den Polo geschoben haben. Die abgelassene Luft aus den Reifen und das brutale Gewackel auf der „Straße“ hat den Tank eindrücken lassen, sodass der Sprit vermutlich wie ein Springbrunnen durch den Laderaum schoss. Auch hatte es dabei den Tankstutzen durch die Klappe gedrückt… Kurzum; der Tank war (auch) durch.

Wir fuhren mit kurzer Pause und einem erneuten Fahrerwechsels aufgrund eines Sekundenschlafs des Fahrers durch bis nach Osh und erreichten unser zwischendurch gebuchtes Hotel.

3,5 Stunden Schlaf können und müssen manchmal auch genügen. Denn dann sollte der Polo abgeladen und zur Werkstatt gebracht werden…


unsortiert und zusammengewürfelt


 

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