Einmal Pjöngjang und zurück
Schon vor der Ankunft in Ulaanbaatar lasen wir von einem nordkoreanischen Resraurant – dem „Pjöngjang“ – was selbstverständlich unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Wir fuhren also den Polo heim und suchten uns ein Taxi. Es scheint in der Mongolei keine regulären Taxis zu geben – warum auch, wenn es nur eine einzige, wirkliche Stadt gibt?! Wir stellten uns also an die Straße und taten das, was auch die Locals machen, wenn sie eine Mitfahrgelegenheit suchten; wir deuteten mit dem Zeigefinger der fast komplett geöffneten Hand auf den Boden. Und siehe da. Nach wenigen Sekunden hielt auch ein Auto an. Per Google Maps wurde das Wunschziel erklärt und daraufhin ein Preis festgesetzt. Anschließend reihten wir uns im scheinbar permanent schlimmen Stau der Stadt ein und schlichen, laute Musik aus dem Radio bollernd, durch den Abend. Zwischendurch fiel uns noch auf, dass es drei verschiedene Adressen zu dem gleichen Restaurant zu geben schien. Oder war es doch eine Kette? Wir fanden dennoch unser angepeiltes Ziel und standen zuerst vor einem Bürokomplex. Den richtigen Eingang findend fuhren wir selbstsicher ins 16. und damit höchste Stockwerk, um dann doch noch eine Etage zurück nach unten zu müssen.
Es erwartete uns ein Atrium mit großem Gastraum in der Mitte, umsäumt von einem balkonartigen Umlauf (im 16. OG). Hängepflanzen säumten die sonst eher kalt wirkenden Betonpfeiler und die Garderobenständer aus Holz wurden durch künstliches Vogelgezwitscher umrundet. Dazu lag noch etwas Propagandamaterial aus, in welcher der „große, ewige, beste, tollste Führer“ bei verschiedenen Tätigkeiten abgelichtet und die Akitivitäten blumigst umschrieben wurden.
Freundlich wurden wir von drei Kellnerinnen und einer vermeintlichen Bar-Cheffin begrüßt. Das zuvor angelesene bewahrheitete sich und so wurden wir direkt gebeten, keinerlei Bilder zu machen (die wenigen, die wir dennoch schafften zu schießen, sind angehängt). Der gesamte Raum war mit Kameras ausgeleuchtet und die Bedienungen trugen alle Funkgeräte mit Ohrsteckern. Die Karte war glücklicherweise bebildert und wir konnten mit Hand und Fuß ein paar Gerichte und sogar original nordkoreanisches Bier bestellen.
Das Bier war nicht außergewöhnlich gut, aber dafür ganz schön teuer.
Das Essen wiederum war sehr lecker und kam z.T. auf einem heißen Kiesbett auf einer heißen Platte.
Wir blieben, bis das Restaurant schloss und fuhren von Eindrücken des Tages überwältigt schweigend heim, wo wir schnell ins Bett krabbelten.
Auf nach Russland – aber vorher zum Markt
Die Straße nach Darchan (der mit knapp unter 100.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt der Mongolei nach Ulaanbaatar!) soll lt. vorangefahrenen Rally-Teams schlecht sein und so planten wir direkt eine Zweitagesetappe für die gerade einmal knapp 500 km lange Strecke.
Somit blieb noch Zeit, um über den Markt zu schlendern, welcher am Vortag verschlossen war. (In Ulaanbaatar haben scheinbar alle Geschäfte unterschiedliche Ruhetage.)
Wir wollten noch ein paar Souveniers kaufen und ließen uns vom Gewühl treiben. Schnell fiel eine klare Trennung der Stände in Grüppchen nach Spezialisierung. So starteten die Stände mit Rucksäcken und Taschen, gefolgt von Pullovern und Jeans. Danach kam ein kleiner Bereich mit Fellen, der in einen Teil für Leder überging. Hier wurden wir von einem ganz offensichtlich fünfjährigen Mädchen in perfektem Deutsch angesprochen, das uns mitteilteilte, dass sie eben heute ihren fünften Geburtstag feierte. Irritiert nach Wochen der sprachlichen Isolation von einem asiatischen Kind auf einem riesigen Markt angesprochen zu werden, stotterten wir Glückwünsche, woraufhin die Kleine sich lächelnd verabschiedete und zu ihrem Vater trottete…
Wir erreichten die Stände mit „Antiquitäten“ und anderem Kram vom Grabbeltisch und mussten feststellen, dass gewisse Swastika noch Verbreitung in der Mongolei finden. Diese fanden Verwendung in Decken, Zäunen, Sätteln, Schmuck, Ansteckern und sogar offensichtlichen Tattoos am Hals. Darüber hinaus sahen wir eine beträchtlich Anzahl an Büsten ehemaliger Diktatoren – auch aus Deutscher Vergangenheit – welche feilgeboten wurden.
Das Ganze dann zwischen buddhistischen Gebetsmühlen, Instrumenten aus Tierschädeln und Rasenmähern. Ein wirrer Mix.
Nur zu Essen gab es nichts, weswegen wir uns zum Abschluss mit etwas Квас begnügten.
Die Straße aus der Hölle!
Wir machten uns auf den Weg gen Norden und mussten den vorangefahrenen Teams beipflichten, dass die Strecke (um nicht mehr von „Straße“ zu sprechen) wirklich schlecht war. Die eigentliche Autobahn wurde renoviert und war gesperrt. Daneben hat man mit zum Teil ausufernden Schleifen eine Mischung aus Abraum, Fels, Kies und Beton zu einer fahrbahnähnlichen Formation erschaffen, über die man nun für ca. 200 km bis nach Darchan hüpft. An ein Fahren jehnseits der 20 km/h war nicht zu denken. Selten wurde der zweite Gang genutzt. Und irgendwann machten wir es wie die Mongolen und fuhren einfach über die Wiesen neben der Behelfsstraße. Soweit es ging jedenfalls. Das nötig Auf- und Abfahren gestaltete sich mitunter als schwierig, da es immer wieder mehr oder weniger natürliche Gräben gab, die ein Überqueren erschwerten oder unmöglich machten.
Wir verloren immer mehr an Zeit und waren nach ein paar Stunden im absoluten Nichts der Mongolei zwischen Baustelle, Horror-Straße, Feldweg und Gräben. Unsere kleinen Scheinwerfer leuchteten die Fahrtrichtung nur mäßig aus und so schleppten wir uns zum Teil im Schrittempo durch die Steppe.
Nach ca. 8 Stunden für knappe 280 km erreichten wir dann ohne Reservierung Darchen, fanden glücklicherweise eine billige Unterkunft („No breakfast! Cook sick!“) und fielen gerädert in die dreckige Bettwäsche.
Wir kürten diesen Abschnitt der Strecke zum schlechtesten der gesamten Rally!
Nach unentspannten 4 Stunden Schlaf ging es weiter zur Grenze. Die Straße war wieder auf deutschem Dorfstraßen-Niveau und wir erschraken über die sich schnell umdrehenden Rädchen des Kilometerzählers. An der Grenze angekommen, war der mongolische Teil der Ausreise wieder problemlos und nach fünf Stempeln und drei Unterschriften waren wir im Niemandsland. Wir trafen einen Japaner mit kanadischem Pass, welcher eine der Mongol Rally ähnliche Strecke von England nach Wladiwostok fuhr. Er traf bereits auf mehrere Teams und fuhr ebenfalls extrem schlechte Straßen. Mit ihm redend verging die sinnfreie Wartezeit am Einlass zur Russischen Grenze wie im Flug und so wurden wir auch gefühlt recht zeitnah kontrolliert. Die Visa waren i.O. und die Formalitäten für das temporäre Importieren des Pracht-Polos verlief ebenfalls zügig. Nur bei der Kontrolle der Reiseapotheke wurde diesmal mehr Wert gelegt und so mussten wir jede Tablettenpackung erklären. (Was natürlich kompletter Quatsch ist, eine durchsichtige Apothekenverpackung zu durchleuchten, 3 m³ Gepäck, Aluminiumkisten und Innenraum zu ignorieren.) Selbstverständlich war alles legal und wir durften einreisen.