Ein Besuch im „Verbist Care Center“

Wie bereits angekündigt, hatten wir einen Hilferuf aus dem Waisenhaus „Verbist Care Center“ aus Ulaanbaatar erhalten. Mit der Bitte die Problematik einmal zu kommunizieren, wurde ein Kontakt geschlossen und wir wurden zu einem Besuch der Einrichtung eingeladen.

Mit einiger Verspätung (der Verkehr in der Hauptstadt ist einfach unbeschreiblich) erreichten wir das Waisenheim und wurden sofort vom Fahrer/Security als Besucher identifiziert und gebeten auf dem Hof zu parken.

Bruder Simon Mputu Hgandu empfing uns noch auf dem Hof und führte uns ins 2. OG in das Büro der Direktorin, welche nicht zugegen war. Er selbst war seit fünf Jahren in der Mongolei und seit zwei Jahren im „Verbist Care Center“ Waisenheim.

 

ZDF (Zahlen, Daten, Fakten)

Seit 24 Jahren existent, beherbergt das Haus aktuell vierzig permanente Kinder und sieben Wochenendschläfer, welche sonst im Internat unterrichtet werden. Die Kinder werden zwischen drei und neun Jahren aufgenommen und kommen meist über die Polizei zum Heim. Für Kinder jünger als drei, gibt es eine alternative Einrichtung, ein „Kindergarden“ wie Simon sagte, im Norden Ulaanbaatars. Kinder älter als neun Jahren, müssen ebenfalls zu einer alternativen Einrichtung.

Die Gründe, um ein Leben als Waise in der Mongolei führen zu müssen, sind vielfältig. Am meisten berührte (und schockte!) mich eine Geschichte eines kleinen Mädchens, welche zusammen mit ihrem Bruder von der Familie verstoßen wurde, weil mit ihrer Geburt Unheil über die Familie kam und der lokale Schamane dies auf die Tochter zurückführte. Die Familie wurde nach der Aufnahme der Kinder mühsam ausfindig gemacht, jedoch wurde nur der Bruder wieder aufgenommen. Das kleine, bildschübsche und, lt. Simon, sehr aufgeweckte Mädchen ist mittlerweile zwölf Jahre alt und weiß um ihre Situation. Ihr Bruder kommt sie ab und zu besuchen. Aber eine Familie hätte sie ohne das Heim de facto nicht mehr.

Wir gingen in die Kantine und tranken Milchtee mit Gebäck. Beim anschließenden Rundgang sahen wir die makellos sauberen und ordentlich aufgeräumten Zimmer. Es gab drei Gruppen: die Jungs, kleine Mädchen und große Mädchen. Jeweils gab es eine/n Gruppenvorsteher/in, welche sich um die Ordnung aber auch um die Belange kümmerten. Der Jungenvorstand wirkte mit seinen ca. zwölf Jahren eher wie Mitte zwanzig und schaute genau darauf was wir in „seinem Gebiet“ machen und schloss die Türen anderer Kinder hinter ihnen.

Um die 3 Gruppen kümmern sich insgesamt 12 „Angestellte“:

1 Köchin

1 Direktorin

1 Bruder Simon

1 Fahrer/Security

4 Rund-um-die-Uhr-Schichtler

1 Teilzeit-Krankenschwester

…und weitere plus eine Menge freiwillige Helfer.

 

Als wir in das Zimmer der Krankenschwester gingen, sahen wir einen kleinen Raum mit zwei Stockbetten. Hier war die Quarantäestation der Einrichtung und neu aufgenommene Kinder wurden hier zur Beobachtung verbracht. Es gab zwei Neuankömmlinge. Brüder. Der Vater war scheinbar alleinerziehend und stark alkoholkrank, sodass die Jungs nicht im Ansatz ein „normales Leben“ führen konnten. Lt. Simon war der Rücken der Kinder von Narben übersät, welche der Vater den Kindern wohl im Vollrausch zufügte…

 

Im Keller des Hauses gab es neben einem „Partyraum“ auch eben den problembehafteten Heizungskeller, welcher aktuell notdürftig mit Boilern und Radiatoren funktionsfähig gehalten wird. Die Rohre wurden geflickt und es leckt auch kaum noch. Um 59 Personen (aktuell 47 Kinder und 12 „Angestellte“) durch den Winter zu bringen dürfte es jedoch nicht halten. Die Winter sind eisig in der Mongolei. Temperaturen und -30°C sind keine Seltenheit und auch -40°C sind durchaus möglich. Die Schulen sind den kompletten Januar geschlossen, da es einfach zu kalt ist, um Kinder in die Schule schicken.

 

Als wir Simon anschließend den Polo zeigten schmunzelte er und deutete auf einen Renault Kangoo ohne Kennzeichen im Hof, welcher von Weltreisenden gespendet wurde, er ihn aber seit mehr als zwei Jahren nicht angemeldet bekommt.

Zudem scheint die Regierung auch nicht gerade hilfreich zu sein. So wird dem Verbist Care Center von offizieller Seite wohl häufig Unterschlagung/Steuerhinterziehung vorgeworfen, da man davon ausgeht, dass Gewinn erwirtschaftet wird. Und das, obwohl als NGO alle Bücher und Konten offen liegen.

 

Wir hatten zuvor noch etwas Spielzeug gekauft und auch eine Notfallration iHv 30 kleinen Haribos-Tüten im Auto, welche wir direkt den Kindern dalassen wollten. Simon meinte jedoch es sei netter für alle, wenn man es direkt übergibt und so wurden die Kinder kurzerhand zusammengetrommelt, reihten sich auf (Mesi wurde als „Vordrängler“ von einem ca. 6 Jahre alten Mädchen zurechtgewiesen und auf seine Position geschoben (siehe Bild unten), bedankten sich lautstart und fielen über die Mitbringsel her.

 

Bei der Verabschiedung sahen wir noch einen Jungen auf der Bank sitzen und Simon meinte, dass er bereits 18 sei, seinen High-School Abschluss erreicht hatte und nun studierte. Er wurde als Kind zusammen mit seiner Schwester auf einer Müllkippe gefunden und war aufgrund von Problemen an den Beinen mit sechs Jahren noch nicht in der Lage zu laufen. Seine Schwester verstarb kurz nach dem Auffinden. Der Bengel benötigte sieben Operationen damit er aufrecht gehen konnte. Eins smarter, junger Mann, der nun Informatik studiert. Die Universität ist hier nicht kostenfrei und so muss immer ein Sponsor gefunden werden, der die Studiengebühren und ein Wenig der Ausrüstung trägt.

 

Es gab einige Erfolgsgeschichten in der Vergangenheit des Hauses. So ging ein Waisenjunge zum Militär und wurde Offizier. Ein Waisenmädchen wurde im „Zentralabitur“ zweite und studiert nun auf den Philipinen Psychologie dank stipendium. Auch wurden wir auf ein Bild aufmerksam, dass ehem. Heimkinder bei dem Jährlichen treffen zeigt. Viele scheinen gut ausgebildete Erwachsene zu sein. Einige haben bereits selber Kinder auf den Bildern.

 

Diese Erfolgsgeschichten und der makellose Zustand der Einrichtung lassen keine Zweifel, dass hier vernünftige und nachhaltige Lösungen erdacht und konsequent umgesetzt werden.

https://www.betterplace.me/verbist-care-center-warm-water spenden wäre cool. Teilen wäre aber schon mehr als nett!

-Tobi

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